Einführung in die Phraseologie

 

Inhalt:

 

1     Einführung                                    …………………………………………...7

 

    1. Grundbegriffe und Hauptprobleme …………………………………………7
    2. Sprache der Massenmedien            ………………………………………… 9
    3. Textsorten und Textklassen            …………………………………………10

 

 

 

2   Einführung in die Phraseologie       ………………………………………….16

 

 

2.1. Unterschiede im Bezug auf Phraseologismen………………………………17

2.2  Merkmale der Phraseologismen   …………………………………………..20

2.3. Relativierung der Festigkeit         …………………………………………..21

2.4. Semantische Idiomatizität             ………………………………………….25

 

 

 

3  Klassifikation der Phraseologismen und Terminologie …………………….26

 

3.1. Semantische Klassifikation  ……………………………………………….26

3.2. Syntaktische Klassifikation………………………………………………...30

3.3. Spezielle Klassen   .. ………………………………………………………30

3.4. Kollokationen  ……………………………………………………………..33

 

 

 

4 Leserbriefe  ………………………………………………………………….34

 

4.1. Form der Phraseologismen ……………………………………………….35

4.2. Expressivität und Anschaulichkeit der Phraseologismen ………………...36

4.3. Sprichwörter ………………………………………………………………37

4.4. Die Kommunikativen Ebenen des Phrasemsgebrauchs …………………..37

4.5. Emotiomal- wertende Konnotation, Metaphern…………………………..38

4.6. Variationen, Modifikationen, neue Phraseologismen …………………….39

4.7. Paarformeln ……………………………………………………………….41

4.8. Vergleiche…………………………………………………………………42

4.9. Eigennamen………………………………………………………………. 42

4.10. Kollokationen und Funktionsverbgefüge ………………………………..43

4.11. Zusammenfassung ……………………………………………………….44

 

 

 

5. Kommentar ………………………………………………………………….45

 

5.1. Funktionen der Phraseologismen ………………………………………….45

5.2. Der Ort des Phraseologismus …………………………………………….. 46

5.3. Funktionen der Phraseologismen ………………………………………….52

5.4. Formelhafte Ausdrücke aus der Welt der Massenmedien ………………....57

5.5. Stilebene des Phrasemsgebrauchs …………………………………………58

5.6. Kollokationen ………………………………………………………………………………….58

 

 

 

6. Interview …………………………………………………………………….58

 

6.1. Titel der einzelnen Inteviews ………………………………………………59

6.2. Expressivität, Anschaulichkeit, Bildhaftigkeit……………………………. 59

6.3. Phraseologismen, die innerhalb eines Jargons verwendet wurden …………61

6.4. Variationen …………………………………………………………………61

6.5. Stilebene ……………………………………………………………………63

6.6. Anspielungen auf literarische Werke ………………………………………65

6.7. Vergleiche ………………………………………………………………….66

6.8. Metaphern…………………………………………………………………. 66

6.9. Zusammenfassung ………………………………………………………….67

 

 

 

7. Kritik, Rezension ……………………………………………………………..67

 

7.1. Titel und Überschriften ……………………………………………………..68

7.2. Phraseologismen im Text …………………………………………………..69

7.3.Nennform der Phraseologismen …………………………………………….69

7.4. Variationen, Modifikationen ……………………………………………….71

7.5. Formelhafte Ausdrücke …………………………………………………….72

7.6. Anspielungen auf literarische Werke ………………………………………73

7.7. Zusammenfassung …………………………………………………………74

 

 

  1. Schlusswort ………………………………………………………………..  75

 

 

  1. Literaturverzeichnis …………………………………………………………78

 

10. Anhang ……………………………………………………………………….79

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

  1. Einführung und Grundbegriffe

1.1  Erste Beobachtungen und Grundbegriffe

In meiner Diplomarbeit werde ich mich mit der Form und dem Gebrauch von Phraseologismen in bestimmten Textsorten der Zeitschrift „Der Spiegel“ beschäftigen.

Ich werde  Platzierung, Bedeutung, mögliche Variationen und Modifikation, Kontaminationen der Phraseologismen analysieren. Anschließend werde ich auf die Funktionen der Phraseme im Text eingehen, die typischen Merkmale der Phraseme und die Auswirkung auf den Text werden auch näher betrachtet. Ich arbeite mit der Zeitschrift „ Der Spiegel“, weil die Qualität der Texte unbestritten ist. Die Journalisten bedienen sich der kodifizierten Sprache  und stützen sich auf die standardisierten Normen. Mit den Printmedien arbeite ich absichtlich, im Vergleich zu Prosawerken spiegeln Pressetexte den aktuellen Zustand der Sprache wider, weil es heutzutage eine Überflut von verschiedenen Texten gibt, müssen die Redakteure originell sein, Aufmerksamkeit auf die Texte ziehen, aussergewöhnliche Wortverbindungen herstellen. Deswegen scheint es mir in sprachlicher Hinsicht interessant, neue Phänomene zu erfassen, die sich bemerkbar machen. In den neuen wissenschaftlich-populären linguistischen Werken wie  es im Buch Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod1 der Fall ist mehrt sich die Kritik an den Journalisten für fehlerhafte Verwendung der Phraseologismen oder dafür, dass die Journalisten immer dieselben Phraseme verwenden , „dem Spiegel“ wird manchmal „Manieriertheit“ vorgeworfen. Inwieweit diese Einwände plausibel sind, ob sie auch auf  Redakteure „des Spiegels“ zutreffen, sind die weiteren Merkmale, auf die ich mich konzentrieren möchte. Ich arbeite mit den folgenden Textsorten:

 

  • Leserbrief

 

  • Kommentar

 

  • Kritik

 

  • Interview

 

 

 

 

 

 

 

Die Textsorten habe ich gezielt ausgewählt, die Leserbriefe werden von Lesern verfasst, die über keine journalistische Ausbildung verfügen, die ihre Meinung  ausdrücken möchten. Ob die Leser Phraseologismen verwenden und wie, weiterhin inwieweit sie normbewusst sind, oder sich  eine Variation zutrauen - das sind Fragen, die sich hinsichtlich dieser Textsorte stellen. Interviews mit verschiedenen Persönlichkeiten enthalten auch viele Züge der gesprochenen Sprache, bei den spontanen Reaktionen des Befragten entstehen oft Versprecher, Ausrutscher. Der sachliche  Ton, der die Nachrichten und den Kommentar charakterisiert, geht bei einem Interview in die lockere Umgangssprache über.     Manchmal  bildet man in der Bemühung korrekt zu sein die sog. hyperkorrekten Wendungen , die auch ein interessantes linguistisches Material bieten, weil sie in dem Fall, dass sie sich einbürgern, zu einer kodifizierten Norm werden.

Die Rezensenten gebrauchen im Gegensatz dazu eine symbolhafte Sprache, mit vielen Vergleichen, bemühen sich um Expressivität. Kommentare sind umfangreichere Textsorten, in denen Phraseologismen  auch wichtige Funktionen ausüben – z. B. Argumentationsersparungsfunktion, Anbiederungsfunktion, die im Kommentar zur Geltung kommen.

DER SPIEGEL, gegründet 1947 von Rudolf Augstein nach dem Vorbild des US-amerikanischen Magazins TIME, gehört zu den renommiertesten  Zeitschriften in der BRD. Er präsentiert sich als Deutschlands bedeutendes und Europas größtes Nachrichten-Magazin. Er sei politisch unabhängig, niemandem verpflichtet. Das Themenspektrum ist breit gefächert: von Politik über Wirtschaft, Ausland, Wissenschaft und Technik, Kultur, Unterhaltung und Sport bis zu Medien und Gesellschaft. Das Nachrichtenmagazin bietet  eine Auswahl aus den Nachrichten einer Woche, die in festen Rubriken erscheinen, begleitet mit vielen Fotos, Bildern oder graphischen Darstellungen.

 

 

 

Linguistisch orientierte Untersuchungen, die sich auf die Presse konzentrieren, betrachten meistens folgende Schwerpunkte: (LÜGER 1995,22)

 

  1. Pressesprache als Beleg für die Gegenwartssprache,  in den meisten Fällen werden Veränderungen gegenüber einem früheren Sprachzustand fokussiert

 

  1. Pressesprache als spezifischer Sprachgebrauch im Medium Presse, hier stehen im Vordergrund Unterschiede zu anderen Funktionalstilen, z. B. Sprachgebrauch im Rundfunk oder Fernsehen

 

 

  1. Pressesprache als Sprachgebrauch einer bestimmten Zeitung  oder Zeitschrift, für begrenzten Zeitraum werden bestimmte Merkmale untersucht

 

Der Schwerpunkt meiner Arbeit liegt bei der Untersuchung der Zeitschrift Der Spiegel Nummern 49/2004 – 8/2005. Weil ich Phraseologismen innerhalb bestimmter Textssorten der Presse analysiere,  definiere ich zunächst die Presssprache als solche und anschließend die einzelnen Textsorten, ganz plausibel sind  die Merkmale, durch die  einzelne Textsorten voneinander abgrenzen.

 

 

 

 

1.2   Sprache der Massemedien

 

Die Massenmedien haben keine eigene "Sprache", wenn man Sprache im Sinne von "Subsystem", "Varietät" oder ähnlich versteht. Wohl aber haben sie eigene Praktiken des Umgangs mit Sprache - eigene kommunikative Verfahren und in gewissem Rahmen eigene Textsorten - entwickelt, die sie von der übrigen Sprachrealität deutlich abheben. (BURGER 1984,3) 
Nachrichtentexte als Facette der Massenmediensprache tragen unverkennbare Züge einer Fachsprache, sagt Rolf Küffner in seinem  Aufsatz "Nachrichtensprache - eine Fachsprache mehr". Küffner stellt fest, dass in der Funktion der Nachrichtensprache ihre größte Schwierigkeit liegt: reine Information mitzuteilen. Doch dafür  ist die Sprache nicht geschaffen. Wolf Schneider, der oberste Stillehrer der deutschen Journalisten, stellt fest: „dass Mitteilung weder der Ursprung noch eine der dominierenden Verwendungsarten der Sprache ist, merken wir ihr schmerzlich an." (KÜFFNER 1985,75) 
Um die Forderung zu erfüllen, komplexe Sachverhalte komprimiert und zugleich wertfrei darzustellen, bedient sich die Nachrichtensprache ähnlicher Elemente wie die Sprache der Wissenschaft. Jene jedoch ist bekanntlich kaum von der breiten Öffentlichkeit zu verstehen - aber genau das wird von der Nachrichtensprache verlangt. Dem Ideal kann sich somit nur angenähert werden, und das ist "eine Kunst, die nicht nur intuitives Können, sondern auch wissenschaftliches Kennen ihrer Gesetze verlangt." (KURZ,1982 138) Diese Gesetze sollen betrachtet werden, denn "die Nachricht ist das Einfache, das schwer zu machen ist." (KURZ 1982,138) 
Die Empfehlungen für das Produzieren von Nachrichtentexten sind in der journalistischen Lehrbuch-Literatur weitaus umfangreicher als in der linguistischen Fachliteratur, wo oftmals nicht einmal der frappierende Unterschied zwischen "harten" und "weichen" Nachrichten berücksichtigt wird. Andererseits führt die Sprachwissenschaft Merkmale an, die von den Journalismus-Lehrbüchern kaum ansatzweise berücksichtigt werden. Feste Verbindungen gehören auch zu einer Gruppe von sehr markanten Merkmalen, die die Pressesprache kennzeichen und eine  bedeutende Wirkung auf den Stil des Textes ausüben. Sie kommen jedoch nicht in jeder Textsorte in gleichem Ausmaβ zum Einsatz.

 

 

 

    1. Textklassen und Textsorten

 

Pressetexte lassen sich in zwei Diferenzierungsebenen  unterteilen: in Textklassen und Textsorten. Ein klassenbildendes Kriterium ist der Faktor der Intentionalität.

Es ergeben sich nach H.-H. Lüger aufgrund ihrer Intention fünf Textklassen   und dazu zugehörigen Textsorten ( LÜGER 1995, 65):

 

A Informationsbetonte Texte

B Meinungsbetonte Texte

C Auffordernde Texte

D Instruierend- anweisende Texte

E Kontaktorientierte Texte

 

Damit man Textvorkommen besser klassifizieren kann, teilt man sie in  Textsorten wie Nachricht, Reportage und Interview etc. ein. Textsorten sind Vorlagen für Sprachhandlungen. Mit bestimmten Textsmustern und – Strategien, die meist bestimmten Standards unterliegen, werden spezifische Vermittlungsaufgaben erfüllt. Die Text- Konzeption ist jeweils kommunikationsorientiert. „Textsorten sind konventionell geltende Muster für komplexe sprachliche Handlungen und lassen sich als jeweils typische Verbindungen von kontextuellen (situativen), kommunikativ-funktionalen und strukturellen (grammatischen und thematischen) Merkmalen beschreiben. Sie haben sich in der Sprachgemeinschaft historisch entwickelt und gehören zum Alltagswissen der Sprachteilhaber; sie besitzen eine normierende Wirkung, erleichtern aber zugleich den kommunikativen Umgang, indem sie den Kommunizierenden mehr oder weniger feste Orientierungen für die Produktion und Rezeption von Texten geben.“ (BRINKER 1985, 124).

Die Struktur einer Textsorte  entspricht jedoch nicht zwingend einer Regel, im Laufe der Zeit haben sich Muster  zur Umsetzung des jeweiligen Ziels etabliert. Presseartikel lassen sich nicht immer sofort eindeutig zuordnen. Oft deuten sog. Präsignale, Überschriften wie Nachrichten, Gastkommentar an, welche Art von Informationsvermittlung folgt. Charakteristisch  ist auch  eine bestimmte Art, Abfolge und Verknüpfung von Textteilen und die Kombination sprachlicher Handlungen (Makrostruktur). Zur Verdeutlichung finden bestimmte Gliederungsignale Verwendung (darüber hinaus, deshalb) oder es gibt eine entsprechende typografische Anordnung – Unterabschnitte, Zwischentitel.

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1.3.1. informationsbetonte Texte

 

Informationsbetonte Texte dienen zur Vermittlung von Tatsachen und Ereignisdarstellungen. Sie werden im allgemeinen auf  das zensierte Zeitungssystem im 19. Jahrhundert  zurückgeführt, wo der Reporter schreiben konnte, was ihm gesagt wurde, also eigene Meinung nicht gewünscht war. Es ist dennoch heute immer noch der Kernteil  der Tagespresse.

 

Diese Gruppe umfasst:

  • Meldungen – knapp auf den Punkt gebrachte „Nachrichtenschnippsel“, deshalb auch teilweise kontaktorientiert, beziehen sich meistens auf zurückliegende Geschehnisse.
  • Harte Nachrichten - dienen zur Mitteilung politischer, wirtschaftlicher und anderer ernster Themen. Sie sind deshalb knapp und prägnant formuliert, unpersönlich, sachlich,  wertungsneutral und so nüchtern wie möglich. Es hat sich die sog. Top –Heavy - Form für die harten Nachrichten durchgesetzt  , d.h. es kommen in der Nachricht immer die wichtigsten Details zuerst und gegen Ende wird das Thema näher präzisiert. Dadurch ist die Nachricht nicht unbedingt chronologisch geordnet, aber der Reporter kann einfach kürzen, indem er unwichtige Details am Ende weglässt.
  • Weiche Nachrichten - dienen im Unterschied zu den harten hauptsächlich zur Unterhaltung und damit zur Mitteilung interessanter Themen, wie Skandale, Verbrechen, Naturkatastrophen, Unglücksfälle etc. Der Vordergrund ist also leserwerbende Informationspräsentation, deshalb sind die weichen Nachrichten auch eher lax geschrieben und es gibt im Gegensatz zur harten Nachrichten viel mehr Gestaltungsfreiheit. Die Top- Heavy- Form kommt nicht zum Einsatz, da diese alles schon im ersten Satz verraten würde.
  • Berichte – sind ähnlich wie harten Nachrichten vom Schreibstil sachbezogen und lückenlos. Es gibt aber keine Wichtigkeitsgraduierung (Top heavy Form). Berichte sind komplexer und vielfältiger als Nachrichten und Meldungen und können auch Stellungnahmen und Bewertungen enthalten.
  • Reportagen - sind normalerweise stärker persönlich gefärbt und die Präsentation ist subjektiver , dadurch wird mehr Nähe zum Ereignis erzeugt. Der Übergang zwischen Bericht und Reportage ist fließend.

 

1.3.2. Meinungsorientierte Textklasse

 

Meinungsorientierte Pressetexte haben zum Ziel, dass der Sachverhalt plausibel wird  und zugleich dass der Adressat erfahren soll, wie ein Sachverhalt zu interpretieren  ist. Der Leser soll erfahren, wie das Medium oder der Autor den Sachverhalt beurteilt und die Bewertung nicht nur zur Kenntnis nehmen, sondern auch anerkennen oder übernehmen. Mögliche Vorbehalte sollten ausgeräumt werden. Der Text ist so aufgebaut, dass der Autor die erwarteten Widerstände gegen seine Position auszuräumen versucht.

Innerhalb dieser Gruppe werden unterschieden:

 

  • Der Leitartikel wird auch „die Flagge“ der Zeitung genannt, gibt meistens die Meinung der Redaktion  wieder, er findet  sich meist auf den ersten Seiten der Zeitschrift. Die Argumente sind im Leitartikel oft provokanter und mutiger formuliert als im Kommentar.
  • Die Kolumne ist ein Meinungsartikel eines einzelnen, oft bekannten Publizisten. Die Zeitungen machen oft deutlich, dass  die dargestellte Meinung nicht unbedingt der Meinung der Redaktion entspricht. Der Stil zeigt den individuellen Stil des Autors, ist oft pointiert und polemisch.
  • Der Essay gilt als literarisch anspruchsvolle Form des Journalismus und wird als ein kürzeres, geschlossenes, verhältnismäßig locker komponiertes Stück Prosa, das sich auf ein Thema konzentriert, als sei es „die Welt“.
  • Glosse unterscheidet sich vom Kommentar durch einen zugespitzten, nicht ernsten und sarkastischen Stil. Die Argumentation ist deshalb  eher überzeugend und verstärkt meistens nur die bisher dominante Meinung zu einem Thema. 
  • Kommentar gibt eine unabhängige Interpretation; Erklärung und Erläuterung von Tagesereignissen, Meinungsäußerungen, Zeitströmungen und politischen Entwicklungen. Es werden  Deutungen und Wertungen vermittelt, die meist bestimmte Einstellungen fördern oder Vorstellungen verändern sollen. Ausgangpunkt ist oft die Problematisierung eines Sachverhalts oder einer Handlung. Der Kommentar bietet nur eine kurze Orientierung über Zusammenhänge, es wird ein gewisses Niveau an Vorinformationen vorausgesetzt. Meistens geht eine Nachricht über die Fakten voraus.

Er argumentiert, indem er Tatsachen in Zusammenhänge stellt, das Entstehen von Meinungen untersucht und deren Bedeutung diskutiert. Der Begriff Kommentar  wird oft als übergeordneter Begriff für meinungsorientierte Formen verwendet.

Die Argumentation berücksichtigt auch mögliche Vorbehalte beim Adressaten und versucht, diese auszuräumen. Es ist die Meinungsstilform, die eher Fragezeichen als Ausrufezeichen setzt. Allerdings sollte er nach Antworten suchen. Von den sieben nachrichtlichen W´s – Wer,Was,Wann,Wo,Welche Quellle , Wie,Warum ist für ihn Warum besonders wichtig. Hinzu kommt als achtes W: Welche Schlussfolgerung.

Die Richtigkeit einer Handlung wird überprüft, eine Einschränkung der Richtigkeit wird behauptet, diese Behauptung soll dem Leser plausibel gemacht werden. Die Äußerung kann man als Rechtfertigung bezeichnen, sie bilden einen zentralen Bestandteil von Kommentaren. Auf die Begründung wird weniger eingegangen.

Die Textstruktur von Kommentaren ist argumentativ, Eine klassische Struktur von Kommentaren, die jedoch nicht generell verwendet werden muss, ist der sog. Syllogismus.

Er besteht aus:

 

- einer allgemeinen Prämisse

- einer konkreten Unterprämisse

- einer Schlussfolgerung

 

Die Vielfalt der sprachlichen Handlungen ist bei Kommentaren ungleich größer als bei informationsorientierten Texten. Sie orientieren über Fakten, besitzen mehrere Argumentations- und Handlungsebenen, bringen oft Gegenpositionen zur Sprache und bemühen sich gezielt  um Leserwerbung.

Charakteristisch hierfür z. B. der Titel eines Kommentars. Er deutet auf den Intentionstyp hin, kann jedoch oft nur im Zusammenhang verstanden werden und erhöht den Reiz den Text zu lesen. Neugierde wecken kann auch eine Einleitung, die zunächst offen lässt, um welches Thema es sich genau handelt – in der Einleitung finden die Phraseologismen oft die Anwendung, genauso im Textschluss, der mit der Einleitung einen Rahmen bildet.

 

- Das Meinungsinterview dient dazu, bezüglich bestimmter Sachverhalte Argumente, Erklärungen und Hintergründe zu liefern, um damit auf eine bewertende – evaluative Weise Einfluss auf den Leser zu nehmen. Das Interview wird normalerweise im Rahmen des Informationsangebotes als zusätzliche Beiträge eingesetzt und erfüllt in der Dialog- Form ähnliche Aufgaben wie entsprechende monologische Texte. Der Vorteil des Interviews besteht darin, dass es dem Leser den Eindruck von Wirklichkeitsnähe und Authentizität vermittelt,  die Information wirken unmittelbar.

Politiker, Experten kommen persönlich zu Wort, die Stellungnahmen sind daher persönlicher gefärbt, anschaulicher und leichter verständlich. Im Gegenteil zu Rundfunk und Fernsehen werden die Aussagen der Befragten verschriftlicht durch redaktionelle Überarbeitungen wie stilistiche Aspekte, Auslassungen, Umstellungen, Tilgung von Wiederholungen, Korrekturen, Versprecher.  Manche Journalisten lehnen die völlige  Anpassung an die Normen  der Schriftsprache ab und geben den ursprünglichen Text unverändert wieder - so gehen meistens die Boulevard- Journalisten vor, die manchmal auch Hinweise auf non - verbales Verhalten hinfügen. Das soll auch bei der Analyse näher betrachtet werden.

Das Interview wird wie folgt aufgebaut:

    1. Es beginnt nach einem kurzen Vorspann mit der ersten Frage.
    2. Häufiges Schema ist: Titelgefüge + Textsortenangabe + zentrale Textaussage und weitere Angaben zum Inhalt oder der interviewten Person.

Bei der schriftlichen Fassung  fehlen für ein Gespräch übliche Eröffnungs - und Beendigungsformeln - Routineformeln.

Die Äußerungen des Interviewten richten sich nicht an den direkten Gesprächspartner, sondern hauptsächlich an das öffentliche Publikum. Es geht um die sog. Mehrfachadressierung. Das Thema bestimmt der Interviewer,  aber der Interviewte kann durch Rückfragen, Versuche des Themawechsels, ausweichende Antworten versuchen, seinen Rangunterschied gegenüber dem Interviewer auszugleichen.

 

- Die Kritik ist ein Text, der sich im weitesten Sinne mit Kunstkritik beschäftigt. In der Presse übliche Form sind Theater-, Film-, Buch-, Rundfunk- und Fernsehbesprechungen.

Der Autor, bzw. Kritiker ist zu einer subjektiven, aber auch sachlichen, künstlerischen Beurteilung des Kunstwerkes verpflichtet. Der Kritiker vermittelt das Kunstwerk der Öffentlichkeit. Er gibt der Leserschaft eine Orientierung über das kulturelle Angebot und gleichzeitig gibt der Autor  Hinweise, Empfehlungen für den Leser zur Rezeption des Kunstwerkes. Die stellt auch einen gewissen Werbefaktor dar und unterstützt das Bekanntwerden des Künstlers.

 

Aufbau und Sprachgestaltung der Kritik:

- in der Überschrift werden Autor und Werk, bzw. der Titel genannt, die Überschriften sind meistens zweiteilig, weil sie die Aufmerksamkeit des  Lesers erwecken sollen (durch Hervorhebung, Typografie). Die Überschriften zeichnen sich auch dadurch aus, dass sie zusammenfassende Angaben über den Inhalt und Textgegenstand  enthalten. Für die Einleitung ist auch charakteristisch, dass zunächst auf wissenschafts- oder kunstgeschichtliche Zusammenhänge , sowie auf aktuelle Tendenzen oder bisherige Publikationen oder Veranstaltungen des Autors oder Künstlers verwiesen wird. Der Hauptteil enthält entweder eine kurze Einordnung  oder einen lesewerbenden Aufhänger, an den ein referierender und bewertender Teil anschließt. Bei Buch- oder Filmkritiken überwiegen Bewertungsmaßstäbe wie Nutzen, Verständlichkeit, Stimmigkeit der  Argumentation, Unterhaltungswert und die Wirkungsintensität.

 

Mit der Kommentierung gibt der Autor meist eine Empfehlung weiter. Bei Stellungnahmen zu Musikkonzerten steht das persönliche Erlebnis des Autors im Vordergrund.

 

1.3.3 Auffordernde Texte

 

Oft sind die Grenzen zwischen verschiedenen Textsorten fließend, wie z. B. bei auffordenden Texten. Es gibt nämlich Texte, die statt einer Veränderung oder Einstellung des Adressaten direkte Reaktionen hervorrufen wollen. Unter auffordernden Texten versteht man vor allem verschiedene Appelle und Aufrufe.

 

1.3.4. Instruierend- anweisende Texte

 Instruierende  Texte gelten als Ratgeber oder praktische Hinweise. Ausgangspunkt  ist eine Situation, die als problematisch angesehen wird, worauf der Text Maßnahmen anbietet, die Situation zu verbessern, „den Problemherd“ auszuschalten. Typisch sind Handlungsanleitungen.

Auf auffordernde und instruierende Texte werde ich aber nicht eingehen.

 

1.3.5. Kontaktorientierte Texte

 

Hierher gehören Titel, Schlagzeilen und Bild- Wort- Kombinationen ( LÜGER 1997,155). Diese Gruppe bezieht sich auf die sog. Boulevardtexte, bei denen die graphische Aufmachung eine zentrale Rolle einnimmt.

 

  1. Einführung in die Phraseologie , Grundbegriffe

 

Die Phraseme bestehen erstens aus mehr als  einem Wort, zweitens sind die Wörter nicht für dieses einzige Mal zusammengestellt, sondern es handelt es sich um Kombinationen von Wörtern, die uns genau in dieser Kombination , eventuell mit Varianten, bekannt sind. Wenn diese Eigenschaften eine Wortverbindung erfüllt, nennt man  sie Phraseologismus. Die lexikalischen Bestandteile werden Komponenten gennant. Für einige Ausdrücke gibt es  geläufige alltagssprachliche Kategorienbezeichnungen: z.B. Öl ins Feuer gießen könnte man als Redensart bezeichnen, die es schon in der klassischen lateinischen Literatur gab, Morgenstunde hat Gold im Munde gilt im Unterschied dazu als Sprichtwort, die aus der Übersetzung eines lateinischen Lehrbuchsatzes aurora habet aurum in ore entstanden sein könnte. Für andere Phraseologismen wie z. B. hin und her, fehlen jedoch allgemeine Kategorisierungen. Die Linguisten bilden  Kategorien die sich nur teilweise mit alltagssprachlichen Gruppierungen decken. In der Termimologie kann es dabei zu Überschneidungen kommen. So wird Sprichwort auch als wissenschaftlicher Terminus verwendet, während sich Redensart als Terminus nicht eignet, weil der Ausdruck in der Alltagssprache zu viele und zu einheitliche Phänomene umfasst.

 

2.1. Unterschiede in Bezug auf Phraseologismen:

 

Neben diesen Gemeinsamkeiten weisen die Ausdrücke auch Unterschiede auf – (BURGER  2003,11):

 

  1. sie sind unterschiedlich lang- der kürzeste guten Tag hat nur zwei Wörter, während der längste Was du heute kannst besorgen, das verschiebe nicht auf morgen hat zehn Komponenten.

 

  1. sie haben unterschiedliche syntaktische Funktionen und innere Struktur Narrenhände

beschmieren Tisch und Wände ist ein ganzer Satz, das Rote Kreuz nur eine Nominalphrase, hin und her ein Adverbiale, Öl ins Feuer gießen enthält ein Akkusativobjekt –Öl und ein Richtungsadverbiale – ins Feuer + Verb, während die Wendung die richtige Nase haben nur ein Akkusativobjekt aufweist.

 

  1. einige verhalten sich morphosynktaktisch wie  beliebige Verbindungen von Wörtern, d.h. man kann das Verb konjugieren : er bezahlt es aus der linken Hosentasche/wir bezahlen es aus der linken Hosentasche, man kann ebenso den nominalen Ausdruck in verschiedenen Kasusformen verwenden: das Rote Kreuz, dem Roten Kreuz. Andere lassen sich in dieser Hinsicht nicht verändern: Guten Appetit, Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß.

 

  1. die meisten Ausdrücke sind von ihrer Struktur und lexikalischen Besetzung unauffällig, wirken wie beliebige Wortkombinationen der deutschen Sprache.  Bei der Wortverbindung  bei  jmdm. einen Stein im Brett haben wundert man sich jedoch über den Stein im Brett, den man bei jmdm. haben kann. Gang und gäbe, auf Anhieb, im Handumdrehen sind  nicht so stark auffällig, aber immerhin enthalten  sie keine Komponenten, die sonst im deutschen Wortschatz normal vorkommen. Sie werden als unikale Komponente bezeichnet.

 

  1. bei einigen Ausdrücken kann man aufrund der Komponeten nur schwer erschließen, was sie als Ganzes bedeuten, bei anderen ist es nur teilweise oder nicht möglich. Bei einigen Ausdrücken kommt es darauf an, ob man die wörtliche Bedeutung meint oder die übertragene. Der Ausdruck jmd. einen Korb geben hat zwei mögliche Bedeutungen. Die wörtliche kann man aus den Komponenten verstehen, die übertragene lässt sich aber nicht so einfach erschließen. Anstelle der Bezeichnung übertragene Bedeutung verwenden  die Liguisten den Begriff phraseologische Bedeutung, weil man damit sowohl die Bedeutung des ganzen Phraseologismus  als auch die Bedeuetung, die einzelne Komponenten innerhalb des Phraselogismus haben (wenn sie eine Eigenbedeutung haben) benennen kann.  Die Bezeichnung wörtliche Bedeutung  ist in linguistischer Terminologie akzeptabel, weil es keine vergleichbar praktikable Alternative anbietet. Weil das Wort „Korb“ mit der Abweisung weder semantisch noch symbolisch zusammenhängt, kann man auf die genaue Bedeutung nicht einmal mit viel Vorstellungskraft kommen.  Man muss sie kennen, die Nichtmutttersprachler müssen den ganzen Ausdruck als ein neues Wort erlernen.

Ein anderer Fall stellt der Ausdruck blinder Passagier dar, die Komponente Passagier hat dieselbe Bedeutung  wie ausserhalb des Phraseologismus, blind hat hingegen die spezifische Bedeutung nur innerhalb des Phrasems. Wenn man nach der Bedeutung des Phrasems fragt, in den Fällen, wo sich zwei mögliche Bedeutungen anbieten, ist nur die phraseologische Bedeutung, die in Frage kommt. Wenn eine Komponente des Phraseologismus ausserhalb des Phraseologismus, also in freier  Verwendung vorkommt und eine Bedeutung hat, spricht man von  freier Bedeutung. Auch die Wortvebindung als ganze kann eine freie Bedeutung haben.

 

  1. Mit den meisten Ausdrücken bezeichnet man Personen, Gegenstände, Sachvehalte, Vorgänge der Welt. Dies gilt nicht für Guten Appetit – der Ausdruck hat nur eine begrenzte soziale Funktion innerhalb einer bestimmten Situation. Eine Sonderstellung  hat z. B. auch der Ausdruck das Rote Kreuz, der eine bestimmte Institution bezeichnet, die Funktion eines Eigennamen vertritt.

 

  1. Die Komponenten sind in den meisten Fällen lexikalisch festgelegt, aber nicht überall. Die Verbalphrase an jmdm. einen Naren gefressen haben enthält ein nicht austauschbares Akkusativobjekt - Narren  und eine frei auffüllbare Präpositionalphrase an jemandem, sowie ein frei einsetzbares Subjekt- jemandem.

 

 

  1. Einige Ausdrücke folgen in ihrem Aufbau einem Muster, andere lassen kein solches Muster erkennen. Das oben erwähnte : Was du heute kannst besorgen,das verschiebe nicht auf morgen ist zweitteilig strukturiert, die zwei Teile sind  durch Reim- besorgen-morgen verknüpft, gang und gäbe, hin und her haben auch einen paarigen Aufbau  und zeigen  ein ästhetisches Merkmal: die sog. Alliteration.

 

 

  1. Aus  manchen Ausdrücken geht hervor, dass sie eine Quelle haben , von einem bestimmten Autor geprägt sind . Sein oder Nichtsein, das ist die Frage ist in vielen Sprachen bekannte Redewendung, die aus Shakespeares Hamlet kommt. Die Quelle ist in diesem Fall leicht zu finden, während es bei anderen Phraseologismen Unklarheiten gibt, was die Quelle angeht, wie z. B. blauer Montag. Es gibt mehrere Deutungsversuche :

1. Der Montag war nach altem Handwerksbrauch der Tag, an dem die Gesellen frei hatten

2. Blauer Montag könnte in der Anlehnung an den arbeitsfreien Fastenmontag als ein Tag in Betracht gezogen werden, an dem blau die vorgeschriebene liturgische Farbe war.

3. Es gibt auch eine Annahme, dass sich die blaue Farbe auf die im Mittelalter an Sonn- und Feiertagen  für  Handwerker vorgeschriebene Kleiderfarbe bezog und die für den arbeitsfreien Montag  übernommen wurde. Eine andere Hypothese stützt sich auf das frühere Färbeverfahren mit Waid. Bei Blaufärbung mit Waid lag die Wolle sonntags im Färbebad und musste den Montag über an der Luft oxidieren. An diesem Tag hatten die Gesellen frei.

Die heutige Verbindung blau machen hängt ebenso mit dem Blauen Montag zusammen. Bei einigen Ausdrücken wie z.B. die Achseln zucken, ist es nicht schwierig festzustellen, worauf die Redewendung zurückzuführen ist.

 

 

2.2. Merkmale der Phraseologismen

 

2.2.1 Polylexikalität

 

Die Phraseologismen, die die folgenden zwei Eigenscahften aufweisen, bilden die Phaseologie im weiteren Sinne:

 

  1. Polylexikalität

 

  1. Festigkeit

 

Polylexikalität

Der Phraseologismus besteht mehr als aus einem Wort, obere Grenze ist nicht definiert, die Ausdehnung des Phrasems ist üblicherweise nicht lexikalisch, sondern syntaktisch festgelegt: der Satz gilt meistens als die obere Grenze phraseologischer Verbindung. Kleine aus mehr als einem Satz bestehenden Texte (Sprüche, Gedichte, Gebete) können den Phraseologismen ähnlichen Status haben unter der Bedingung, dass sie zum Sprachbesitz größerer Gruppen oder ganzer Generationen geworden sind. Es gibt auch Meinungsverschiedenheiten, was die untere Grenze betrifft, bei den Verbindungen  wie an sich, bei weitem, im Nu zeigt sich die Tendenz  zur sog. Univerbierung – minimale Phraseologismen  neigen dazu, phonetisch und graphisch zu einem Wort zu werden. Ich werde in dieser Hinsicht keine Präzisierungen vornehmen, und jede feste Kombination von zwei Wörtern zur Phraseologie rechnen.

 

2.2.2. Festigkeit

 

Festigkeit - man kennt den Phraseologismus in dieser bestimmten Kombination von Wörtern und er ist wie jedes andere Wort in der Sprachgemeinschaft gebräuchlich. Die Gebräuchlichkeit  innerhalb eines synchronen Sprachquerschnittes ist ein besonderes linguistisches Thema im  Rahmen der Phraseologie, denn es ist gar nicht so einfach, festzustellen, ob ein Phraseologismus allgemein gebräuchlich ist, ob er allen Sprechern einer Sprache bekannt ist. Mit dem  Rückgriff auf  das Wörterbuch lässt sich das Problem auch nicht eindeutig lösen, weil Wörterbücher lexikalisches Material beinhalten, das dem aktuellen Sprachzustand nicht entspricht. Es werden mehrere Ebenen der Festigkeit unterschieden: psycholinguistische – der Phraseologismus  ist mental als eine einheitliche Verbindung gespeichert. Strukturelle Festigkeit baut darauf, dass sie die Phraseologismen den freien Wortverbindungen entgegenstellt. Im Gegensatz zum Phrasem unterliegt eine freie Verbindung nur den üblichen syntaktischen und semantischen Regeln. Demgegenüber weisen  aber phraseologische Wortverbindungen  Irregularitäten auf, d.h. Beschränkungen, die manchmal als Restriktionen bezeichnet werden. Die Irregularitäten beziehen sich sowohl auf die Morphologie als auch auf die Syntax, viele spiegeln die älteren Sprachverhältnisse wider- mit jmdm. ist nicht gut Kirschen essen, auf gut Glück. Heute werden diese Formen als empfunden, wenn sie im Laufe der Zeit nicht phraseologisiert wurden.

 

2.3. Relativierung der Festigkeit

 

Die strukturelle, besonders die lexikalische Art von Festigkeit lässt sich stark relativieren. Die jüngere Phraseologie Forschung behauptet, dass die absolute lexikalische  Festigkeit nur bei sehr wenigen Phraseologismen zu beobachten ist, dies betrifft z. B. die Phraseme mit unikalen Komponenten. Die unterschiedlichen Aspekte einer Relativierung der Festigkeit des Phrasems  werden mit den Begriffen Variation und Modifikation bezeichnet.

 

2.3.1.Variationen

 

Bei den Variationen besteht die Relativierung der Festigkeit darin, dass es nicht nur eine vollständig fixierte Nennform gibt, sondern zwei oder mehrere sehr ähnliche Varianten vorliegen. Es lassen sich dementsprechend die folgenden Typen unterscheiden:

 

a)  es liegen grammatische Varianten in einer  Komponente des Phraseologimus vor, bzw. mehreren Komponenten – z.B. Numerus.

seine Hand/seine Hände waschen

b)  eine Komponente des Phraseologismus kann durch zwei oder mehr lexikalische Varianten ausgefüllt werden. Es handelt sich sowohl um Elemente  mit lexikalischer Bedeutung wie Substantive, Verben, Adjektive als auch mit strukturell-grammatischer Bedeutung – Präpositionen, Konjunktionen.

ein schiefes Gesicht machen/ ziehen

jmdm. passt/gefällt jmds. Nase nicht

unter uns (katholischen)  Pastorentöchtern/Pfarrerstöchtern

ein Gesicht wie drei/ sieben/ zehn/ vierzehn Tage Regenwetter machen

 

c)  Es gibt kürzere oder längere Variante des Phrasems.

sich etwas  im Kalender anstreichen/sich etwas rot im Kalender anstreichen

unter uns Pastorentöchtern/ unter uns katholischen Pastorentöchtern

d) Die Reihenfolge der Komponenten kann variieren, besonders häufig lässt sich das bei komparativen und bei satzwertigen Phraseologismen  beobachten.

aussehen wie Milch und Blut / wie Milch und Blut aussehen

  1. Die Valenz weist Varianten auf, die meistes auf unterschiedliche syntaktische Anschlüsse zurückzuführen sind.

sich die Fußsohlen ablaufen nach etwas / um etwas zu bekommen

  1. Kasus und Präpositionalobjekt können variieren.

Jmdm./ für jmdn. eine Extrabratwurst braten

 

Die Variationen haben einen eindeutigen Bezug zur Synonymie. Wenn man die Phraseologismen jmdn. auf den Arm und jmdn. auf die Schippen nehmen vergleicht, kommt man zum Schluss,  dass die Phraseologismen synonym sind und sich  voneinander formell durch die lexikalische Besetzung  einer Komponete unterscheiden. Die trennbare Linie zwischen zwei Varianten eines Phraseologismus  und von zwei synonymen Phraseologismen ist nach Harald Burger (2003,152) sehr schwierig zu ziehen. Burger bevorzugt, der oben erwähnten Fall des Phrasems jmdn. Auf den Arm die Schippe nehmen eher als zwei synonyme Phraseme einzustufen, was sich daraus ergeben solle, dass die mit der freien Bedeutung verbundenen und noch durchaus aktiven Vorstellungen deutlich verschieden sind. Beim zweiten Beispiel mit „der Schippe“  ist der Gebrauch eher regional. Die Abgrenzungen  von der Variation sind im Einzelfall schwierig, was Burger  anhand des Phraseologismus  mit beiden Beinen/ Füßen fest auf der Erde/ im Leben stehen. Die erste Komponente  hält Burger für eine Variation, bei der zweiten spricht er eher von Synonymie mit dem Hinweis darauf, dass man im Wörterbuch zwei verschiedene Einträge anführen müsste. Bei der Beurteilung von Variationen werde ich mich auf die Thesen von Burger stützen, weil sie mir plausibel vorkommen.

 

 

 

 

2.3.2. Antonymie,Reihenbildung

 

Weil man in der Presse sehr  vielen Variationen der  Phraseologismen begegnen kann, werde ich weitere Erscheinungen berücksichtigen, die im Umkreis von Variationen anzuführen sind wie z. B. Antonymie- gut/ schlecht beraten sein, auf dem absteigenden /aufsteigenden Ast sitzen.

Weiter muss man, um vollständig zu sein, zahlreiche Phraseologismen einbeziehen, die den gleichen phraseologischen Kern haben und einmal der Anfang, ein andermal der Verlauf oder auch das Ende, bzw. Resultat einer Handlung ausdrücken, beschreiben. In diesem Fall spricht man von aktionaler Reihenbildung:

sich jmdm. in den Weg stellen

jmdm, im Weg stehen

jmdm. aus dem Weg gehen

 

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist neben dem Aspekt des Verlaufs der Aspekt der Verursachung - Kausativität. Bei dem Funktionsverbsgefüge in Bewegung setzen , muss der Täter genannt werden, der die Handlung verursacht, während  bei  sich in Bewegung setzen kann der Verursacher implizit bleiben. Vor allem bei den Funktionsverbgefügen handelt es sich um dieselben Verben, die den Unterschied  der Kausativität  ausmachen -  wie z. B. die Positionsverben liegen, stehen, sitzen versus legen, stellen, setzen.

 

Die neuere Phraseologieforschung ist zur Einsicht gelangt, dass Phraseologismen „in weit höherem Grade variabel sind“2, als  früher angenommen wurde. Bei den Tests mit  Versuchspersonen, die in der Alltagssprache viele Abweichungen von den lexikalisierten Phraseologismen verwendeten,   ergeben die Resultate beim Testen  ein hohes Maß an individueller Variabilität. Die Tatsache, dass sich das  Phänomen der Variabilität der Phraseologismen nicht  nur in der gesprochenen Alltagsprache widerspiegelt, belegen die Ergebnisse der speziellen Lückentests, die den Versuchspersonen vorgelegt wurden. Die getesteten Personen sollten Phraseologismen nach folgender Aufgabenstellung verwenden: Sie bekamen den Satz :

Mit dieser scheinbar harmlosen Frage hatte der Journalist ….., den sie ergänzen sollten, vorgegeben waren  die phraseologische Komponente „Wespennest“  und dann die Bedeutung des Phrasems in der genauen Wortlautung aus dem elften Band der Dudenreihe : „unerwartet  eine heikle Angelegenheit berühren.“ Von den 50 untersuchten Idiomen wurden nur vier ausschließlich in ihrer lexikographisch kodifizierten Form gebraucht, bei weiteren 46 hingegen werden durchschnittlich je sieben spontane Varianten gebildet (BURGER 2003,33). Dasselbe gilt für Sprichwörter - Schindler hat in seiner Arbeit zum Tschechischen (1994,122) feststellen müssen, dass auch Sprichwörter in vielen Varianten anzutreffen sind. Als er den Versuchspersonen den ersten Teil des Sprichwortes vorgelegt hat und den zweiten Teil den Personen zum Ergänzen überlassen hat, kam heraus, dass die meisten den richtigen Wortlaut nicht kennen. Die These, ob man auch in „Der Spiegel“ vielen Variationen begegnen kann, sollte weiter aufgriffen und verfolgt werden. Ich vermute, dass die getesteten Personen die Phraseologismen ziemlich stark variiert haben, weil sie  entweder den Phraseologismus nur passiv oder gar nicht kannten, bzw.  sie nur mit einer regionalen Variante vertraut waren. Bei den ausgebildeten Journalisten  wird es nicht der Fall sein, wenn sie die Phraseme alternieren, dann meistens gezielt zu einem bestimmten stilistischen Zweck. Deswegen möchte ich  auf die Alternationen in den Textsorten speziell eingehen, den Typ der Alternation, sowie die eventuelle  Wirkung auf den Text untersuchen.

 

2.3.3. Modifikationen

Der Unterschied zwischen einer Variation und Modifikation besteht darin, dass es sich bei der Variation um usuelle Erscheinungen handelt, während bei Modifikationen um die okkasionellen - d.h. für den Zweck eines bestimmten Textes gebildete Abwandlung eines Phraseologismus. Man spricht auch von den sog. textgebundenen Variationen. Burger verwendet das Beispiel Schlechter Rat ist teuer.  Der Titel eines Zeitungsartikels soll darauf hinweisen, dass eine Hotline, schlechte Auskunft gibt, auch wenn  für  den Anruf viel Geld erhoben wird. Das Phrasem wirkt expressiv und untraditionell, deshalb weckt es Aufmerksamkeit des Lesers, genau aus diesem Grund hat es der Journalist an dieser Stelle verwendet, für diesen konkreten Text.  Nicht immer lässt sich so deutlich erkennen, wo die Grenzen zwischen der Alternation und der Modifikation liegen, wie im obigen Fall.  Im heutigen Text der Massenmedien nehmen die Modikationen bei der Idiomverwendung eine Ausschlag gebende Rolle ein. Einerseits wirken sie originell, andererseits zeugen sie von einer gewissen Sprachkompetenz der Journalisten. Wenn man Variationen und Modifikation erwähnt, müssen auch Fehler einbezogen werden.

Einführung in die Phraseologie